Nach gut drei Monaten Corona-Alltag fällt mir langsam die Decke auf den Kopf und ich habe mir überlegt, dass ich einen lang gehegten Traum verwirkliche und an einem der spannendsten deutschen Radevents teilnehme – der Grenzsteintrophy (GST).
Was ist die Grenzsteintrophy?
Die Grenzsteintrophy ist eine Selbstversorgerfahrt entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Die Tour beginnt im Süden am sogenannten Dreiländereck zwischen Bayern, Sachsen und Tschechien und endet im Norden in Priwall/Travemünde an der Ostsee.
Die Grenzsteintrophy (GST) folgt dem Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen entlang der ehemaligen Deutsch-Deutschen-Grenze. Die Route erstreckt sich über 1275 km, mit etwa 20.000 Höhenmetern. Der Untergrund besteht aus 40% historischem Kolonnenweg mit Lochplatten, 30% Asphalt sowie 30% Wald- und Forstwegen. Dabei stellt die erste Hälfte mit ihren rund 15.000 Höhenmeter die größte Herausforderung dar. Wenn nach der ersten Hälfte der Brocken überstanden ist, wird es zunehmend flacher und man kann angeblich Richtung Ostsee „ausrollen“.
Die Beschaffenheit der Wege variiert aufgrund der Witterung stark von Jahr zu Jahr, erfordert hohe Konzentration und macht das Fahren in der Dunkelheit – insbesondere wegen der Lochplatten – riskant. Deswegen sollte man früh aufstehen und das Tageslicht ausnutzen. Die GST kann sportlich innerhalb einer Woche, sportiv in etwa zehn Tagen und gemütlich in zwei Wochen bewältigt werden. Ein Navigationsgerät à la Garmin oder einer anderer Satellitensender ist aufgrund der mangelhaften Netzabdeckung empfehlenswert.
Ansonsten gibt es einen (Ehren-)Kodex, an den sich alle Fahrer halten sollen. Jeder muss sich um seine Versorgung komplett selbst kümmern, fremde Unterstützung und das Teilen von Ausrüstung in Gruppen ist nicht erlaubt. Und wenn man irgendwo von der Route abweicht, um beispielsweise seine Lebensmittelreservern aufzustocken, muss man an der gleichen Stelle wieder einsteigen.
Wer nach „Löchern im Kodex“ sucht, um die GST „einfacher“ zu machen, der ist noch nicht bereit für die Herausforderung GST!
GST-Kodex
Da im Lockdown alles geschlossen ist und Urlaubmachen generell nicht möglich ist, ist der Zeitpunkt perfekt, um die Grenzsteintrophy anzugehen. Die Tour bewegt sich zu großen Teilen innerhalb des Grünen Bandes, eines der größten Umweltschutzgebiete Deutschlands. Da in den Zeiten der DDR die grenznahen Gebiete neben dem Todesstreifen gezielt entsiedelt wurden, gibt es auf der Strecke nur sehr wenige Ortschaften und Versorgungsmöglichkeiten. „Abstandhalten“ wird somit das geringste Problem sein.
Meine Vorbereitung auf die Grenzsteintrophy
Vorbereitet habe ich mich quasi gar nicht. Wie viele andere struggele ich mit den notwendigen Maßnahmen während der Pandemie und versuche einigermaßen normal durch den Alltag zu kommen. Aber ich merke, dass ich dringend einmal aus der Corona-Lethargie ausbrechen muss. Ich möchte etwas erleben außerhalb meines aktuellen Aktionsdreiecks von Arbeit – Supermarkt – Wohnung.
Meine Bikepacking-Ausrüstung ist generell ziemlich vollständig, nur ein passendes Mountainbike fehlt mir noch zum Glück. In den Kleinanzeigen finde ich ein Cannondale F-Si in der richtigen Rahmengröße und mit Lefty-Federgabel. Die einarmige Federgabel sieht nicht nur cool aus, sondern bietet zudem den riesigen Vorteil, dass man quasi beliebige Reifenbreiten fahren kann. Die empfohlene Breite von 3,0 Zoll wegen der Lochplatten auf den Kolonnenwegen ist gar kein Problem. Hinten passen noch knapp 2,8 Zoll rein, was auch funktionieren sollte. Somit bin ich zumindest materialmäßig gut vorbereitet auf die anstehende Tour. Ob die Beine und die restliche Kondition mithalten, wird sich zeigen.
Am 16.Juni geht es nun mit dem Auto runter nach Hof zu Freunden, um dann am nächsten Morgen in das Abenteuer GST zu starten.
Meine Bewerbung für die GST
Um die GPS-Route zu erhalten, muss man sich vorab bewerben und eine Spende an eine gemeinnützige Organisation spenden. Wenn man dan als Fahrer auf der GST-Website gelistet wird, ist man angenommen. Der Vollständigkeit halber, hier noch meine Bewerbung:
Moin GST,
Ich habe vor einigen Jahren das Thema Overnighter für mich entdeckt. Seitdem möchte ich die regelmäßigen Ausbrüche aus dem Alltag nicht mehr missen und sie sind die perfekte Abwechslung zu den üblichen Surfsessions an unserer Ostseeküste. Mein persönliches Highlight war eine siebentägige Tour im vorletzten Jahr von Kiel über Wuppertal nach Frankfurt mit knapp 1000 Kilometern. Wobei ich die kleinen, fiesen Hügel im Sauerland völlig unterschätzt habe. Aber es war eine einmalige Erfahrung und seitdem träume von der nächsten, großen Tour.
Ich habe mit Begeisterung die Filme von Sven und Siggi angesehen und denke, dass wäre genau das richtige Abenteuer für dieses Jahr. An der GST reizt mich neben der körperlichen Herausforderung, das Naturerlebnis und der Gedanke entlang dieser geschichtsträchtigen Strecke unterwegs zu sein.
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